Kapitel 1: Der Anfang vom Ende

Vor sich hinfluchend rannte Stella den Korridor entlang. Sie wusste nicht, was sie gerade mehr nervte: Die Tatsache, dass sie sich an dem Schutzglas des Feueralarms, geschickt wie sie war, den Ellbogen aufgeschnitten hatte, oder der Fakt, dass ihr im Sekundentakt panische Schüler gegen die Verletzung schlugen. Auf dem Gang herrschte Chaos. Jeder schien in eine andere Richtung zu wollen. Ehe Stella es sich versah, wurde sie vom größeren Menschenstrom weggerissen, auf den nächsten Notausgang zu. Ihr vorheriger Klassensaal kam in Sicht. Ohne darüber nachzudenken krallte sie sich in die Türzarge und schaffte es irgendwie, sich in den Raum zu ziehen. Keuchend lehnte sie sich einen Moment an die Wand, einen blutigen Streifen an der Tapete hinterlassend. Dann lief sie zu ihrem Rucksack, packte sich ihren MP3-Player und hängte sich die Kopfhörer um. Dann wandte sich Stella um und blickte mit schiefgelegtem Kopf auf den am Saal vorbeiströmenden Schülerstrom. Hier im Klassenraum fühlte sie sich wie in einer seltsamen Blase. Völlig unberührt von dem Desaster, das sich da draußen abspielte. Nach ein paar Sekunden riss sie sich aus der unangebrachten Faszination. Sich nochmal in diesen Strom aus Leibern hineinzubegeben, kam für sie nicht infrage. Stattdessen lief sie dahin zurück, wo sie hergekommen war, die Verbindungstüren zwischen den Sälen nutzend und nahm die nächstbeste Tür, die in Sicht kam, als es durch die Räume nicht mehr weiter ging.
Stella stolperte geradewegs in staubige Dunkelheit. Sie biss sich auf die Lippe. Nichts zu sehen war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Endlich ertastete ihre zittrig herumirrende Hand den Lichtschalter. Perplex starrte Stella auf den Geräteraum der Turnhalle. Wie zur Hölle war sie dahin gekommen?
"Ach egal". Nach kurzer Überlegung kam sie zu dem Schluss, dass ihr nicht vorhandener Orientierungssinn dieses Mal wohl etwas Gutes gewesen war. Denn um eine Sache kam sie nicht herum: Sie würde eine Waffe brauchen. Stella begann, die Sportgeräte nach etwas Brauchbarem abzusuchen.

"Scheiße!" Leon wurde kotzübel. Nur mit Mühe konnte er sein Frühstück bei sich behalten. Panisch stürzte er aus dem Klassensaal, als er von seinem am Boden liegenden Schüler am Bein festgehalten wurde und beinahe das Gleichgewicht verlor. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte er auf seinen Klassenkameraden.
Ehemaligen Klassenkameraden.
Denn das, was er nun erblickte sah jenem ganz und gar nicht ähnlich. Seine Augen waren völlig verdreht zu sein und aus seinem Bauch hing ein angefressenes...irgendwas.
Leon verzog das Gesicht zu einer panischen Miene, während er hektisch versuchte sein Bein aus dem ungewöhnlich festen Griff des am Boden liegenden zu befreien. Dabei realisierte er, dass dieser gerade im Inbegriff war in sein Bein zu beißen.
"Scheiße! Herr Weiß, helfen sie mir!" Flehend streckte er eine Hand zu seinem Lehrer aus.
Verdammt er wollte hier nicht sterben!

"Ach, jetzt auf einmal?", schoss es Robert durch den Kopf als er Leons Hand ergriff und kräftig daran zerrte.
Der Junge wurde von der krallenden Hand an seinem Bein losgerissen und stolperte in den Flur.
Robert zog sich ebenso zurück und schlug die Tür hinter dem letzten panischen Schüler zu.

Jetzt erst bemerkte er wie seine Lungen kurz vor dem Bersten sich, nach einem tiefen, schmerzenden Atemzug, wieder mit Luft füllten.
Hektisch drehte er sich um die eigene Achse, kein Mensch mehr außer Leon in der Nähe.
Aus allen Richtungen Schreie, rennende Füße und weitere unidentifizierbare Geräusche.
Ein übelkeiterregender Duft hing in der Luft.

Robert ließ die Luft aus seinen Lungen wieder entweichen. Keine Panik mehr. Ruhig.

"Okay Leon, wir verschwinden jetzt von hier. So schnell wie möglich. Wenn ich stehen bleibe um jemanden zu helfen, dann...", er zögerte,
"dann bleib du bitte auch stehen und hilf mir, okay?" Er grinste ihn breit an um den Jungen mit seiner gut gespielten Zuversicht zu beruhigen.

"Danke.", brachte der Schüler keuchend hervor, sah sich kurz um und nickte dann in Roberts Richtung, wobei sich sogar ein schmales Lächeln auf seine Lippen stahl. "Klingt nach einem Plan."
Bleiben wollte er hier jedenfalls nicht.

"In Ordnung", murmelte er, sich einmal im Kreis drehend. "Leon? Die Treppe runter, da müsste doch eine Besenkammer sein, nicht?
Dann hätten wir immerhin etwas um diese....Leute auf Abstand zu halten, wenn wir da reinkommen.
Und von dort aus können wir über die Sporthalle nach draußen schleichen. Was meinst du?
Danach bring ich dich nach Hause, zu deinen Eltern, und dann sehen wir weiter."
Leise begann er, ohne eine Antwort abzuwarten, sich zu bewegen.

Es war bereits stiller geworden. Waren alle entkommen?

Leon nickte. "Ja. Ist gar nicht mal so weit weg von hier." Leise folgte er seinem Lehrer, jedoch nicht, ohne sich dabei ständig in alle Richtungen umzusehen. Es war seltsam still geworden. War es vorbei? Instinktiv fragte er sich, ob es seinen Freunden gut ging, während sie vorsichtig die ersten Stufen der Treppe nahmen.

Vorsichtig hob er Fuß um Fuß, schlich innerlich zögernd die Treppe hinab.
Nichts war zu hören. Selbst der Feueralarm war verstummt. Wie kam das nur?
Eigentlich müsste er, statt zu fliehen, Polizei und Krankenwagen rufen,
das war ihm sehr wohl bewusst. Am Fuß der Treppe angekommen zögerte Robert nicht länger.

Zwar immer noch leise aber zielstrebig ging er auf die Besenkammer zu.
Er rüttelte am Griff der alten Tür: "Verdammte...", zischte er leise, "abgeschlossen."
Noch etwas kräftiger zo und drückte er. Nein, sie klemmte nicht nur.
"Leon? Aufbrechen oder nicht?"

Unsicher sah sich der Schüler kurz um, bevor er grinsend Anlauf nahm. "In Deckung.", meinte er nur, ehe er nach vorne stürzte und mit einem heftigen Tritt gegen die Tür donnerte. Deren Verriegelung gab unter dem hohen Druck knackend nach.
Zufrieden trat Leon einen Schritt zurück. "Das müsste funktioniert haben." Von dem verursachten Lärm mal abgesehen.

Als Leon sich, nach seinem Tritt, umdrehte, sah er seinen Lehrer mit offenem Mund und wie zur Warnung erhobener Hand da stehen.
Robert zwinkerte zweimal und holte tief Luft: "Ruhig bleiben", dachte er, "ganz ruhig. Der Junge ist ein Volldepp, alles klar."
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln: "Gut, so geht es natürlich auch, Leon."
Schnell schnappte er sich zwei Stangen - einen Besen und eine Schneeschaufel.
Warum auch immer die Schaufel hier oben aufbewahrte wurde...
"Deine Wahl."

Der Rothaarige schmunzelte kurz über den Gesichtsausdruck seines Lehrers. Was hatte der denn? Er seufzte schulterzuckend und griff nach dem Besen. Dabei bemerkte er, dass es im Schulhaus bereits wieder lauter wurde. Vielleicht war sein Tritt doch keine so gute Idee gewesen...
"Wohin jetzt?", fragte er leise.

"Wenn du verfluchtes Stück Sperrholz nicht augenblicklich aufgehst kannst du was erleben!"
Endlich das heiß ersehnte Knacken.
Es waren bereits einige Minuten vergangen -der Feueralarm war bereits wieder verstummt-, als Abby es endlich schaffte die Schublade des Lehrerpults mit ihrem Messer aufzubrechen.
"Na also, geht doch." Keuchend, aber lächelnd atmete sie einen Moment tief durch. Sie konnte noch immer nicht so recht glauben, wie stabil diese Dinger heutzutage gebaut wurden, aber sie hatte ihr erstes Ziel erreicht. Der ansteigende Lärm vor dem notdürftig verriegelten Klassenzimmer konnte sie nun nicht weiter beunruhigen.
Mit einem triumphierenden Grinsen griff sie nach ihrer Psp, als ihr Blick noch auf etwas anderes in dem Fach fiel.
Neugierig griff sie nach einem der Gegenstände, welcher sich als eine, mit klarer Flüssigkeit gefüllte, Flasche herausstellte. "Was haben wir denn da?"
Interessiert musterte die Schwarzhaarige das Etikett, wobei ihre Mundwinkel zuckten. "Mineralwasser. Ja ne, ist klar."
Geschickt öffnete sie den Verschluss, nur um ihn direkt wieder zu verschließen.
"Bäääh!" Angesichts des beißenden Geruchs machte Abby einen Satz nach hinten.
Jup, es handelte sich allen Anschein nach tatsächlich um selbst gebrannten Alkohol. Doch wer immer ihn hergestellt hatte...derjenige hatte definitiv keine Ahnung.
Jedoch konnte man ihn vielleicht dazu verwenden..
Erschrocken fuhr der Kopf der Schwarzhaarigen in die Höhe, als von der Tür her ein leises Knacken, ähnlich dem Geräusch von berstendem Holz, drang. Der Besenstiel würde wohl nicht mehr lange halten.
Konnten die nicht langsam mal verschwinden? So viel Krach hatte sie nun auch wieder nicht veranstaltet!
"Scheiße!", presste Abby zwischen den Zähnen hervor, während sie sich hastig nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. Die Tür konnte sie jedenfalls vergessen.
Was war mit dem Fenster?
Ein Blick auf das, was dahinter lag, offenbarte ihr einen Weg über das Feuerwehrgerüst, welcher bei Brandsituationen in den untersten Stockwerken als Fluchtweg benutzt werden sollte.
Ihre Miene hellte sich auf. "Bingo!"
Augenblicklich machte das Mädchen kehrt und stürzte zu ihrem Platz, wo sie zu ihrer Erleichterung noch ihre schlichte, schwarze Umhängetasche mit einigen wenigen Schnallen als Verzierung vorfand.
Zum Glück, wie sie fand.
Mit den Jahren war ihr die Tasche echt ans Herz gewachsen. Und auch wenn sie bereits nicht mehr ganz so neu aussah, war sie immer noch besser als irgendein ach so toller, pinker Beutel mit Einhornmuster darauf.
Ein erneutes Knacken des Besenstiels riss Abby wiedermal aus ihren Gedanken, sodass sie nicht länger zögerte und zurück zu dem Lehrerpult hastete, wo sie eilig ihre Psp, sowie die wenigen kleinen Flaschen des Alkohols (die Schublade hatte sich größer als erwartet herausgestellt) in ihrer Tasche verstaute. Danach spurtete sie wieder zum Fenster, wobei sie noch den Tafellappen aufgriff, öffnete es und gelangte so auf die Feuerleiter.
Gerade rechtzeitig, wie sie bemerkte, denn nur wenige Augenblicke später gab ihre Verriegelung nach und die Klassenzimmertür wurde förmlich eingerannt.
Noch während sie schnell das Fenster hinter sich schloss, musste Abby erschrocken feststellen wie viele Zombies nun allein ihren Klassensaal fluteten.
Das war doch nicht mehr normal!
Sie wollte irgendetwas sagen, schaffte es jedoch -wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben- ihrer Stimme Einhalt zu gebieten und einfach loszulaufen.
Sie hatte damit gerechnet, dass es viele erwischen würde, aber so viele? Und das so schnell?
Sie schüttelte den Kopf, während sie am Schulgebäude entlang rannte.
Zum Glück war wohl kein anderer auf die Idee gekommen diesen Weg zu nehmen.

So leise wie möglich bewegte Stella sich durch die Gerätschaften. Der Lärm um sie herum glich einem Strudel. Er wirbelte um die Kammer herum, mal stärker, mal schwächer, mal da mal dort, mal mehr kreischend, mal mehr... nicht wirklich definierbar und ekelhaft. Die Tür zur Gerätekammer ging nur nach innen auf. Was für einen Nachteil das darstellte, verdrängte Stella meisterhaft, während sie weitersuchte. Irgendwas praktisches musste es hier doch geben, oder? Schließlich hielt sie einen Hockeyschläger in der Hand. Zuerst wollte sie ihn wieder wegstellen, dann sah sie den Metallkern, der unten aus dem Kopf herausblitzte. Widerstandsfähig war der auf jeden Fall mal. Und eine schlechte Hockeyspielerin war sie auch nicht. Da konnte man mit etwas Improvisation bestimmt etwas Nützliches draus machen.
Stellte sich nur noch die Frage, was sie jetzt machen sollte. Zurück in die Schule, Abby suchen? Sich aus der Sporthalle schleichen und ihre eigene Haut retten? Stella biss sich auf die Lippe, während sie den Schläger in den Handflächen drehte. Schließlich schnaubte sie. Abby würde sie hier auch verrotten lassen, da war sie sich sicher. Davon abgesehen ging sie davon aus, dass die Schwarzhaarige ihren eingebildeten Gothic-Hintern bereits aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Stella griff nach dem Knauf der Tür zur Sporthalle.

"Das hätte auch wirklich leiser vonstatten gehen können", murmelte Robert unhörbar.
Er griff nach der Schaufel und lauschte zwei Atemzüge lang. Die meisten Geräusche kamen von...dort wo sie herkamen.
"Okay, wir folgen dem Plan. Möglichst leise und ungesehen. Wie...wie Ninjas, ja?"
Das bedeutete zur Sporthalle zu schleichen und dann nach draußen.
"Vorwärts! Hinter uns ist es lauter, also würde ich sagen das du vorne bleibst."

Unsicher sah Leon in die Richtung, aus der sie gekommen waren, ehe er vorerst erleichtert durchatmete.
Gut, noch war niemand zu sehen.
Er lächelte kurz über die Ausdrucksweise von Herrn Weiß, ehe er sich in Bewegung setzte. "Wie Ninjas...verstanden!"

Den Gang entlang schleichend und sich bei Geräuschen hinter Ecken oder in verwüsteten, dennoch leeren Klassenzimmer versteckend, erreichten die beiden dann auch endlich die Tür der Sporthalle.
Robert grübelte die ganze Zeit: Was war nur geschehen? Wo waren alle hin? Es konnte doch nicht sein, dass hunderte Schüler in so kurzer Zeit...gestorben waren. Oder doch? Wo war die Polizei?
Die Fragen rannten auf der Aschebahn seines Geistes ohne anzuhalten.

"Hallo? Hallooohoo?!" Mit gehobener Augenbraue stand der rothaarige Schüler vor Robert und winkte, doch sein Lehrer schien ganz und gar in Gedanken versunken zu sein. Na toll. Schmunzelnd verschränkte Leon die Arme vor der Brust, während er sich unwillkürlich fragte, wie lange Herr Weiß noch so vor dem Eingang zur Sporthalle rumstehen wollte.
Nach einer Weile räusperte er sich.
"Erde an Lehrer. Geht's Ihnen gut?"

Mit mehr als einem Abwinken konnte und wollte Robert nicht reagieren. "Mir gehts..ganz, ganz super. Klar. Wie sollte es mir sonst gehen!"
Er griff ohne länger zu zögern nach dem Griff der Tür und schob sie auf.
Der Anblick verschlug ihm dann auch schier die Sprache.
Einige umgeworfene Bänke, teilweise zerbrochen. Blutverschmierte, blaue Matten.
Ein junger Körper dem Kopf und beide Unterarme fehlten und um dessen linkes Bein ein Kletterseil gewunden war.
Auch andere menschliche Teile und Überreste waren verstreut.
Robert wollte sich die gar nicht genauer anschauen. Nein, wirklich nicht.
"Also vorwärts, Leon. Leise und schnell."

Gerade, als Stella die Tür öffnete, hörte sie Stimmen. Vorsichtig lugte sie durch den Türspalt. Ein Lehrer und ein Schüler. Bewaffnet. Und... nicht mutiert! Sie erwischte sich dabei, wie sie den beiden nachrufen wollte, schlug sich dann aber die Hand vor den Mund. Dumme Idee. SEEEHR dumme Idee. "Klappe halten und dranhängen", murmelte sie stattdessen und begann, den beiden zu folgen. Die Szenerie in der Turnhalle blendete sie aus. Nervenzusammenbruch? Trauma? Alles gern - wenn sie in Sicherheit war.
Auf halbem Weg zum Notausgang der Halle wurde sie bemerkt.

"Wer's glaubt", brummte Leon und folgte Herrn Weiß in die Turnhalle, wo ihm ein beißender Gestank entgegenschlug, der erneute Übelkeit in ihm aufsteigen ließ. "Ach du Scheiße.." Notdürftig schob er sich seinen Schal über die Nase und betrachtete den verunstalteten Körper wenige Meter vor ihm. Wenn man genau hinsah konnte man auf dem blutverschmierten Shirt noch ein Peacezeichen erkennen. Unwillkürlich zuckten Leons Mundwinkel. Welch eine Ironie! "Scheint als wäre hier länger keiner gewesen", meinte er betont lässig, während er den Blick abwandte. Gleichzeitig machte sich jedoch wieder eine gewisse Angst in ihm breit. Er fühlte sich eingeengt, beobachtet.
Ihm wurde bewusst, dass sie schon seit dem Klassensaal keinem der..Viehcher mehr begegnet waren, was zu zusätzlicher Unruhe in ihm führte.
Erschrocken wirbelte Leon herum, hatte er doch etwas am Rande seines Gesichtfeldes wahrgenommen, und erblickte tatsächlich eine Gestalt. Sofort spannten sich seine Muskeln an, während seine Hände fast schon krampfartig den Besenstiel umklammerten.
Dann sah er, dass es ein Mädchen war.
Ein LEBENDES und UNVERLETZTES Mädchen.
Sofort entspannte er sich und verzog seinen Mund zu einem perfekten Lächeln, während seine Augen seinen typischen Verführerblick annahmen. Innerhalb weniger Sekunden hatte er sich wieder zum Mädchenschwarm gewandelt.
"Hey du! Bist du allein hier?" Er trat näher. Das Mädchen war blond und schien nicht von schlechten Eltern zu sein. Genau sein Typ.
"Keine Sorge jetzt bist du im Sicherheit."

Stella warf einen Blick auf die Leiche neben ihr und sah Leon dann mit gehobenen Augenbrauen an.
"Wer's glaubt." Sie hatte Leons Gesicht die wenigen Minuten zuvor nur als Profil gesehen, aber es reichte um zu wissen, dass um seine Selbstsicherheit nicht weit her war. Und mit seiner Bewandtnis, jemandem eine über zu braten.
Sie zeigte auf den Stiel in seiner Hand. "Kannst du mit dem Ding überhaupt umgehen?"
Als er den Mund öffnete, um zu antworten, wandte sie sich ab. Es war eine rhetorische Frage gewesen. Sie sah den Lehrer an.
"Haben Sie einen Plan? Irgendwie sahen Sie... zielsicher aus." Sie klang vielleicht selbstsicher, aber das war sie nicht. Sie hoffte inständig, dass die einzige nicht mutierte erwachsene Person, die sie sehen konnte, irgendein Ass im Ärmel hatte. Denn sie hatten es nötig.

"He..auf jeden Fall kann ich uns den Weg freischaufeln", antwortete er und lächelte dabei verlegen, während er auf die Schaufel in seiner Hand deutete.
"Mein Plan aktuell ist es eigentlich euch zu euren Eltern oder irgendwohin zu bringen wo es sicher ist und dann, zum Teu...Geier nochmal, herauszufinden was hier abgeht. Ohne selbst zu so einem Ding zu werden!"
Er ließ seinen Blick langsam zwischen den beiden hin und her wandern: "Wie nah wohnt ihr an der Schule?"

Leon verzog angesichts Stellas Verhalten den Mund. Ihre Abfuhr war wie ein knallharter Schlag ins Gesicht seines gut gepflegtes Images gewesen. Und das galt es zu verteidigen! Als hätte er ihre Worte nicht gehört trat er zu der Blonden und legte ihr eine Hand auf die Schulter, während er Herrn Weiß ansah. "Also ich für meinen Teil wohne etwa 500 Meter vom Exerzierplatz entfernt."

"Exerzier...ach so, okay, ich glaube, ich weiß was du meinst", Robert schluckte. Er und zielstrebig? Da war Leon, zumindest was die weibliche Bevölkerung anging, augenscheinlich zielstrebiger. Hormone! Er lächelte und sprach weiter: "So, dann wirst du vermutlich am nahesten wohnen. Dann bringen wir dich nach Hause und danach", er wandte sich an das Mädchen, "schaffe ich dich in vertraute Gefilde. Wie weit wohnst du denn entfernt?"

Stella warf Leon einen Todesblick zu und trat einen Schritt von ihm weg. Streit vorm Zaun zu brechen, darin war sie zwar gut - aber sie glaubte nicht, dass das was bringen würde.
"Vergessen Sie's, ich wohne nicht mal in der Stadt... kleines Kaff über 10Km von hier entfernt. Mitten im Wald." Sie machte eine kurze Pause. "Und ich will auch nicht heim." Lieber die Viecher als ihre Mutter. Die blökten sie wenigstens nicht an. "Und außerdem.. mh... wie soll ich das sagen... irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass das hier" - sie zeigte auf die Leichen um sie herum - "nicht nur hier an der Schule so ist... sollten wir nicht vielleicht zusammen bleiben?" Sie schluckte. "Weitere Überlebende suchen?" Sie erschauderte bei dem Wort 'Überlebende". Der Sachverhalt schlich sich in ihr Bewusstsein. Das gefiel Stella gar nicht.

Leon tat einen Schritt in Stellas Richtung und brachte seine Hand erneut in Position, während ein Chameurergrinsen auf seine Züge trat. "Also ich werde jedenfalls nicht von deiner Seite weichen und dich allein lassen, keine Sorge." Naja...zumindest in der Theorie. Er sah zum Ende der Sporthalle, wo eine große Uhr angebracht war, und hob die Augenbrauen. Verdammt sie waren nun schon locker 10 Minuten hier. Nervosität machte sich in ihm breit, was er jedoch vor allem vor Stella zu verbergen versuchte. Er wollte hier weg. Schleunigst.
"Jedenfalls...bevor wir hier gleich alle unsere Teetassen auspacken und ein Kränzchen veranstalten möchte ich nur noch einmal kurz daran erinnern, dass wir hier gerade von Leichen umzingelt sind. Und ich weiß ja nicht wie's euch geht, aber auf diesen Geruch könnte ich durchaus verzichten. Wir haben ja jetzt einen Plan. Prima! Also lasst uns von hier verschwinden, bevor diese Viecher wieder auftauchen und mit uns Fangen spielen wollen."
~Wie die zwei Mädchen von vorhin.~ Er verzog den Mund.
"Herr Weiß, Sie haben doch sicher ein Auto, oder?"

"Aber es ist doch fünf Uhr und der Hutmacher...keine Zeit, keine Zeit!", er grinste schräg bei dem kläglichem Versuch die Stimmung aufzulockern: "Natürlich hast du Recht, Leon, und ja, ich habe ein Auto. Interessanterweise gerade nicht einmal in der Werkstatt!
Aaaallerdings unordentlich, nur als Vorwarnung." Seine Stimme zitterte minimal.
Ja, Galgenhumor, das ist manchmal einfach nötig.
Robert seufzte wieder und beruhigte sich: "In Ordnung. Leon, dich lass ich dann daheim raus. Mademoiselle, warum willst du nicht nach Hause und...weitere Überlebende suchen? Ich kann doch kaum auf mich aufpassen wenn diese Dinger sich so schnell ausbreiten - wie könnte ich dann die Verantwortung für dich übernehmen?"
Während er sprach, begann er sich schon langsam in Richtung des Parkplatzes zu begeben.

Stella wurde Leons Hand mit der bekannten "Staub-von-der-Schulter-wisch"-Bewegung los und machte wieder einen Schritt von ihm weg, wobei sie auf einen Arm trat und mit einem angeekelten Quietschen wieder einen Satz zurück machte. Na das hatte sich gelohnt.
Sie sah den Lehrer abschätzend an. "Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich das hier" - sie machte eine ausschweifende Handbewegung - "meiner Mutter vorziehe?" Wahrscheinlich nicht. Aber so ekelhaft ihre Lage gerade war, das ganze hatte einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Leben zuhause: Keine Regeln und eigene Entscheidungen. Kein vorgekautes Leben. Stellas Blick verdunkelte sich bei dem Gedanken an ihr häusliches Leben. Sie fand es selbst grotesk, dass sie das hier vorzog. Aber es stimmte!
Entschlossen lief Stella Herr Weiß hinterher. "Ist mir egal, was Sie machen. Ich hänge Ihnen nicht am Hosensaum. Bringen Sie den da heim und mich hier raus. Mehr brauche ich nicht." Mehr wollte sie im Moment zumindest mal nicht - hier wegzukommen war ein ziemlich guter erster Schritt.
"Und jetzt schauen Sie mich nicht so an und bewegen sich." Sie packte den Hockeyschläger fester und blickte zur Notausgangstür, die unter verdächtigen Schlägen erzitterte. "Da gibt's noch eine kleine Hürde zu nehmen." Kaum hatte sie es ausgesprochen, bereute sie es. Die nächsten Worte waren um einiges leiser.
"Oh fuck."